Manga in Marzahn
1 Simone Nauendorf 2 Kaspar Wolf 3 Suika 4 Sandra Röbke 5 Diana Erbe 5 Andreas Grieger 5 Marie Schikorra 6 Hintergrund
Comic-Helden ganz privat
Zu Besuch bei Mädchen in japanischen Schuluniformen und Jungs mit Nylonhaar
Cosplay - Simone Nauendorf
Simone Nauendorf

Die 28-jährige Grafikerin aus Neukölln posiert als Ling Xiaoyou aus Tekken auf ihrem Küchentisch. Mangas erinnern sie an die Neunziger, die Zeit in der sie elf, zwölf, dreizehn war, Sailor Moon im Fernsehen lief und man noch Tekken auf der Playstation zockte. "Das ich mich jetzt wieder damit auseinandersetze ist Nostalgie", sagt sie.

„Damals hatten die Trickserien noch eine Botschaft und auch die Spiele waren noch schöner, detailverliebter gezeichnet“, meint Simone. Sechs Spielekonsolen besitzt sie gemeinsam mit ihrem Mann. Eine Playstation 4 oder Nintendo Wii U sind nicht dabei. Sie spielt Final Fantasy, Super Mario Brothers, Sonic – die Klassiker aus den Neunzigern.

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Cosplay - Kaspar Wolf
Kaspar Wolf

Kaspar Wolf studiert Soziologie und wohnt mit Freunden in einer Marzahner Platte. Der 20-Jährige macht nicht nur Cosplay, er macht Crossplay. Auf sauerkirschroten Pumps läuft er am Sonntag durch die Gärten der Welt.

Warum er sich als Madoka Kaname, ein pink haariges Schulmädchen, das im Laufe der Comic Serie „Puella Magi Madoka Magica“ zu einer gefährlich lebenden Magierin wird, verkleidet? „Weil ich auffallen will, und weil es Spaß macht. Ich studiere, und ich arbeite.


Cosplay ist der schrille Ausbruch aus meinen spießigen Leben“, sagt Kaspar. In der Otaku-Szene, so nennen sich die Manga und Cosplay Fans, fühle er sich wohl. „Das ist eine wunderbar tolerante Gemeinschaft.“

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Cosplay - Suika
Suika

Cosplay ist auch Heimwerken. Heimwerken mit Künstlernamen. "Suika" nennt sich die 22-jährige Wirtschaftsmathematik Studentin aus Spandau, wenn sie sich aus Styrodur und Papierkaschur ein neues Cosplay Kostüm baut.

Cosplay - Sandra Röbke
Sandra Röbke

Die 25-Jährige aus Oranienburg ist Fachkraft für Lagerlogistik. Ihr Joballtag ist weniger bunt und auch wesentlich stressiger als die Welt der "My Little Ponys" "Es entspannt sich als Zauberpony Twilight Sparkle zu verkleiden", sagt Sandra.

Cosplay - Diana Erbe
Diana Erbe

Gekauft ist hier nichts. Das Wasser-Pokémon Kostüm Schiggy hat sich die 28-jährige Gestaltungstechnische Assistentin aus Marzahn selbst auf den Leib geschneidert. Einen Monat hat sie dafür gebraucht.

Cosplay - Andreas Grieger
Andreas Grieger

Andreas Grieger hat nicht viel Zeit. Gleich beginnt seine Nachtschicht im Grand Hyatt am Potsdamer Platz. Eigentlich erwartet der 20-jährige Azubi eine ruhige Schicht, denn meist wird nachts nicht mehr bestellt als ein Burger ...

Aber nachts ist er eben auch der einzige in der Küche, und wenn sich eine ganze Gruppe an der Bar für Burger entscheidet, muss er acht Burger auf einmal braten und trotzdem das Schnitzel für die Tageskarte vorklopfen.


Aber noch steht Grieger in seinem Flur am Charlottenburger Mierendorffplatz und trägt einen blassblauen, hautengen Ganzkörperanzug. Seine Füße stecken in dunkelblauen Adiletten, auf seinem Kopf thront eine Kosakenmütze und eine Maske mit Sägeschnauze verdeckt sein Gesicht.


Er ist jetzt Arlong, halb Langnasen-Sägehai, halb Mensch. Eine Figur aus der japanischen Erfolgs Mangaserie „One Piece“, des Mangakas Eiichiro Oda. Mit mehr als 300 Millionen Exemplare ist sie die meist verkaufte Manga-Serie der Welt.

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Cosplay - Marie Schikorra
Marie Schikorra

Marie Schikorra ist 17 und besucht ein Internat in Dahlem. Sie hat ihre Haare türkis gefärbt, um Miku Hatsune ähnlicher zu sein. Hatsune ist das Maskottchen einer japanischen Gesangssoftware. Mittlerweile gibt das Maskottchen auch Konzerte.

Mehr als 100.000 Lieder gehören zu ihren Repertoire. Denn sie singt alles von Pop bis Heavy Metal. Sie wird niemals müde, sie ist nicht echt.


„Als Miku Hatsune verkleidet fühle ich mich nicht besser“, sagt Marie Schikorra: „Aber anders.“ Fan sein bedeutet immer auch Imitation. Während der Britpop-Teenager versucht, mit Gitarre in der Hand so wie Liam Gallagher zu klingen, versucht der Manga-Teenager, auszusehen, wie sein hübsches, großäugiges Manga Idol.

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Hintergrund

Cosplayer sind leidenschaftliche Fans von japanischen Comics. So leidenschaftlich, dass sie sich auf Veranstaltungen wie den Buchmessen oder dem japanischen Kirschblütenfest in Marzahn, als Comichelden verkleiden. Soweit, so einfach. Und doch sind Cosplayer vielen ein Rätsel. Was soll all die Maskerade?



Kaum ein Außenstehender weiß, dass Cosplayer vor allem Selbermacher sind. Viele sind Stammkunden im Baumarkt. Sie wissen, dass Styrodur, ein weißer Schaumstoff aus Polystyrol ist, der herkömmlicherweise beim Hausbau als Dämmstoff eingesetzt wird, sich aber auch hervorragend dazu eignet, um ein leichtes Schwert aus ihm zu formen. Acrylfarbe und Kleister kaufen sie literweise. Und sie verzehren sich nach Worbla.



Hier geht es zur ausführlichen Reportage
Berliner Morgenpost, 2014
  • Text: Julia Friese
  • Fotos: Reto Klar