Wie blau der Himmel über Berlin in diesem Jahr war, zeigen am eindrucksvollsten die Bilder des Berliner Softwareentwicklers Jörg Lorenz. Er hat seit langem seine Kamera in den Himmel des Ortsteils Alt-Hohenschönhausen gerichtet – und drückt von 8 bis 20 Uhr alle zwei Stunden auf den Auslöser. Mit den himmlischen Fotos will Lorenz vor allem im Streit um Kondensstreifen mit Verschwörungstheoretikern gewappnet sein. Doch die bislang mehr als 2000 Bilder aus diesem Jahr zeigen auch: Grau verliert gegen Blau.
2015 war in Berlin sonniger als im langjährigen Mittel, bestätigt auch Jörg Kachelmann. Bereits im Oktober sei das Jahressoll bereits erfüllt gewesen. Roland Schrödner von Kachelmannwetter hat den Sonnenschein in Berlin detailliert ausgewertet. Die einzelnen Tageswerte haben wir in dieser Visualisierung mit Lorenz' tagtäglichen 12-Uhr-Bildern zusammengebracht – und Berlin mit dem als verregnet verschrienen Hamburg verglichen.
An der am zentralsten gelegenen Messstation Tempelhof, die auch Datengrundlage der Visualisierung ist, wurden bis Ende November 1776 Stunden Sonnenschein registriert. Hamburg kam nur auf 1607 Stunden. In Berlin ist es den nackten Zahlen nach auf dem Fichtenberg in Steglitz am sonnigsten. Das kann aber auch daran liegen, das dort eine lange zurückreichende Messreihe weiter von Hand ausgewertet wird. Automatische Messungen sind oft wählerischer, erkennen nicht jeden Sonnenschein an. Erst ab einer gewissen Intensität gehen die Strahlen in die Auswertung ein. So wurden am sonnenreichsten Tag des Jahres, am 1. Juli, „nur“ 15 Stunden und 31 Minuten gezählt, obwohl zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang 16 Stunden und 45 Minuten lagen.
Himmelsfotos und Daten zeigen: Der Jahresanfang war buchstäblich ein Grauen. „Der Januar bot viel weniger Sonnenschein als normal“ sagt Schrödner. Kein einziger Strahl zwischen die Wolken hindurch an 18 Tagen, in Berlin ließ sich die Sonne sogar vom 19. bis 27. Januar überhaupt nicht blicken. Doch dann ging es ganz anders weiter: Im Februar, April und August gab es jeweils rund ein Drittel mehr Sonne, als im langjährigen Mittel zu erwarten gewesen wäre.
Vor allem der August, als gefühlt das Wetter immer schön war, war demnach in Berlin sehr viel sonniger als gewöhnlich. Nur an drei Tagen weniger als vier Stunden Sonnenschein, kein einziger Tag ohne Strahlen. Die Erklärung von Wettermann Schrödner: „Erst hat ein ausgeprägter Hochdruckkeil für warmes und sonniges Wetter gesorgt. In der zweiten Augusthälfte gab es dann ein stabiles Hoch über Skandinavien.“ Davon hat dann vor allem der Nordosten Deutschlands profitiert - Hamburg merkte davon weniger.
Ebenso im Februar: In Berlin zum Großteil sonnig durch ein kräftiges Hoch über Westrussland. Hamburg bekommt dafür mehr ab von den vom Atlantik heranziehenden Wolken. Das bedeutet: Im Jahr durchschnittlich rund 100 Sonnenstunden weniger als in Berlin - und in diesem Jahr war der Abstand noch größer. In Tempelhof wurden bis Ende November 1728 Stunden gemessen, in Dahlem waren es sogar 1877 Stunden.
Die 1610 Stunden in Hamburg liegen noch unter dem langjährigen jährlichen Durchschnitt von Berlin (1706 in Tempelhof). Rekordsonnenjahr wird 2015 aber in Berlin nicht - zu weit entfernt ist der Wert aus dem Jahr 2003 mit dem „Jahrhundertsommer“: Dahlem mit der anderen Messmethode brachte es damals auf gut 2134 Stunden.
Im langjährigen Vergleich ist Hiddensee Deutschlands sonnigster Ort, so Kachelmann. Doch in den vergangenen Jahrzehten hat die Sonnenscheindauer in ganz Deutschland zugenommen: Im 30-Jahresmittel gab es von 1981 bis 2010 mehr Sonnenstunden als von 1971 bis 2000 und auch von 1971 bis 2000 bereits mehr Sonnenstunden als von 1961 bis 1990. Wir können uns also tendenziell über mehr Sonne freuen.