Nichts erscheint bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) so simpel wie der Betrieb der U55: Fährt doch auf Europas kürzester U-Bahn-Linie zwischen Hauptbahnhof und Brandenburger Tor lediglich ein Doppelwagen hin und her – kein anderer Zug, kein Signaldefekt kann den Verkehr ernsthaft stören. Dennoch liegt die U55 in der aktuellen Bilanz der BVG (für die Monate Januar bis Oktober) mit einer Verspätungsquote von 1,9 Prozent aller Fahrten gerade mal auf dem vorletzten Platz.
Lediglich die während der Bauarbeiten am U-Bahnhof Gleisdreieck eingerichtete Interimslinie U12, die acht Monate lang zwischen Warschauer Straße und Ruhleben verkehrte, kommt mit 2,4 Prozent auf einen noch schlechteren Wert. Dabei war die U55 noch im Vorjahr Klassenbeste. Doch zwei Monate – der September (5,6 Prozent) und Oktober (7,5 Prozent) – verhagelten die Bilanz.
BVG-Sprecherin Petra Reetz hat eine Erklärung für den Schwächeanfall: „Die Polizei geht bei Demonstrationen dazu über, aus Sicherheitsgründen den U-Bahn-Verkehr einstellen zu lassen. Davon war die U55 im Regierungsviertel besonders oft betroffen.“
Anders als für den Regionalzugverkehr und die Berliner S-Bahn gibt es vonseiten der BVG keine regelmäßigen Angaben zu Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Busse und Bahnen. Lediglich auf parlamentarische Anfrage von Mitgliedern des Abgeordnetenhauses werden in Abständen entsprechende Daten öffentlich gemacht. In den vergangenen Jahren hat der Verkehrsexperte der Piraten-Fraktion, Gerwald Claus-Brunner, den Part des hartnäckigen Fragers übernommen.
„Nicht nur in meinem Bürgerbüro, sondern auch im Petitionsausschuss erreichen uns immer wieder Beschwerden von Fahrgästen über unpünktliche Busse und Bahnen“, begründet Claus-Brunner gegenüber der Berliner Morgenpost sein Interesse an den BVG-Zahlen. Die würden oftmals ein etwas anderes Bild zeichnen. Dabei müsse jedoch beachtet werden, dass nach BVG-interner Bewertung erst Busse und Bahnen, die mehr als 90 Sekunden zu früh oder 210 Sekunden zu spät eine Haltestelle erreichen, als unpünktlich bewertet werden. „Das ist ein Zeitfenster von insgesamt fünf Minuten – und dass gilt auch auf Linien, die im Vier-Minuten-Takt befahren werden“, so Claus-Brunner.
Von dieser Bewertungsmethode profitiert vor allem die U-Bahn, die wegen ihres separaten Netzes vergleichsweise immun ist gegen äußere Störungen. So schaffen aktuell alle neun U-Bahn-Linien locker, die einst im Verkehrsvertrag des Senats mit der BVG eingetragene Pünktlichkeitsvorgabe von 97 Prozent zu erfüllen. Spitzenreiter ist dabei die U4. Auf der nur 2,9 Kilometer langen Strecke zwischen Nollendorfplatz und Innsbrucker Platz fahren die Züge nur zu 0,1 Prozent mit Fahrplanabweichung. Im Ranking folgen die U5 (Alexanderplatz–Hönow) mit 0,7 Prozent und gleichauf die U3 (Nollendorfplatz–Krumme Lanke) und – etwas überraschend – die U9 zwischen Rathaus Steglitz und Osloer Straße mit jeweils nur 0,8 Prozent verspäteter Zugfahrten.
Deutlich schlechter ist das Bild bei den Straßenbahnen, für deren Gleise häufig kein eigener Verkehrsraum zur Verfügung steht. Die Tram bot in den ersten zehn Monaten des Jahres 8,6 Prozent ihrer Fahrten mit Planabweichung an. Im Vergleich zu den Vorjahren (2012: 8,3 Prozent; 2013: 8,1 Prozent) ist das nochmals unpünktlicher.
Besonders häufig fahren die Bahnen ausgerechnet auf den stark genutzten Metro-Linien M1 (Mitte – Rosenthal Nord) und M5 (Hauptbahnhof – Hohenschönhausen) verspätet. Jede neunte Bahn kommt hier mit Verspätung an. Die mit Abstand höchste Unzuverlässigkeit weist dabei mit 13,5 Prozent die M13 (Wedding – Warschauer Straße) auf, wobei sich der Wert gegenüber den Vorjahren spürbar verschlechtert hat. „Grund dafür sind die Bauarbeiten auf der Warschauer Straße, die besonders am Nachmittag dafür sorgen, dass unsere Bahnen im Stau stecken bleiben“, sagte BVG-Sprecher Markus Falkner. Bemühungen, eine Vorfahrt für die öffentlichen Verkehrsmittel im Baustellenbereich zu bekommen, seien bislang ohne Erfolg geblieben.
„Kommt der Bus?“ Vor allem: „Kommt er auch pünktlich?“ Eine in Berlin häufig gestellte Frage. Rund 4800 Busfahrer sind auf 151 Tag- und 63 Nachtlinien der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) unterwegs. Mit ihren gut 1300 Omnibussen haben sie im vergangenen Jahr rund 405 Millionen Fahrgäste befördert, ein Spitzenwert in Europa.
Doch die wenigsten Busnutzer sind derzeit so richtig zufrieden mit dem Angebot. Was vor allem an der mangelhaften Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit der Busse liegt. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres sind die Busse im Durchschnitt zu 13,3 Prozent unpünktlich gefahren. Jeder achte Bus ist stark abweichend vom Fahrplan oder gar nicht gefahren.
Ärgerlich: Ausgerechnet die besonders häufig von Fahrgästen genutzten Linien stehen ganz weit hinten in der aktuellen Pünktlichkeitsbilanz: Den schlechtesten Wert unter den wichtigen, weil Stadtteile verbindenden Metro-Bussen, bietet der M48, der zwischen Alexanderplatz und Zehlendorf fährt. 26 Prozent der Abfahrten sind laut BVG von Januar bis Oktober verspätet erfolgt.
Zu den „Bummelanten“ mit Verspätungsquoten von mehr als 20 Prozent gehören auch die von der BVG als Expressbusse bezeichneten X10 (Bahnhof Zoo–Teltow), X54 (Pankow–Hellersdorf) und X49 (Staaken–Messe Nord). Vor allem Flugreisende dürften sich über die sehr geringe Pünktlichkeit der Busse ärgern, die zum Flughafen Tegel fahren. Der TXL (Alexanderplatz–Flughafen Tegel) sowie die Linien X9 und 109 (Zoologischer Garten–Flughafen Tegel) liegen mit einem Anteil an Verspätungen von mehr als 17 Prozent allesamt im hinteren Drittel des Pünktlichkeitsrankings. Selbst die Vorzeige-Linien der BVG, der 100er- und der 200er Bus, die an Berlins Sehenswürdigkeiten vorbeifahren, sind mit einer Verspätung von 18,9 sowie 25,3 Prozent im Schnitt alles andere als Glanzlichter am BVG-Himmel. Schlusslicht ist übrigens die Linie 204 zwischen den Bahnhöfen Zoo und Südkreuz. Schuld daran sollen nicht die neuen E-Busse, sondern eine inzwischen beseitigte Baustelle in Schöneberg sein.
Die landeseigenen Verkehrsbetriebe geloben Besserung. Um auf Probleme besser reagieren zu können, sei die Arbeit der Einsatzzentralen neu organisiert worden. So gibt es seit 2014 eine gemeinsame Leitstelle für Busse und Straßenbahnen. Um Ausfälle schneller zu kompensieren, sind 40 zusätzliche Busse in Dienst gestellt worden. Auch werde gemeinsam mit dem Senat an „Beschleunigungskonzepten“ für besonders verspätungsanfällige Linien gearbeitet. So wurden in diesem Jahr etwa 620 Meter Busspur auf der Sonnenallee neu markiert, um die Pünktlichkeit des M41 (Neukölln–Hauptbahnhof) zu verbessern. Die Zahl der Verspätungen stieg allerdings von 13,9 Prozent (2014) auf 15,4 Prozent.