Union und SPD stürzen ab - AfD wird dritte Kraft - FDP feiert Comeback
Erstmals seit den 50er-Jahren zieht eine Partei rechts der Union in den Bundestag. Die Alternative für Deutschland (AfD) ist als drittstärkste Kraft aus der Bundestagswahl 2017 hervorgegangen. Zugleich sind beide Volksparteien abgestürzt: Die SPD erreichte ihr historisches Tief und CDU/CSU ihr schlechtestes Ergebnis nach 1949. Trotz der herben Verluste liegt die Union weiter vorn - nach Zweitstimmen auch in 256 der 299 Wahlkreisen, wie die Wahlgewinner-Karte zeigt. Die Rechtspopulisten von der AfD sind in sieben Wahlkreisen stärkste Partei geworden. Ein Wahlkreis davon liegt in Brandenburg, alle anderen in Sachsen, wo die AfD landesweit mit 27 Prozent Erster wurde. Als Sieger kann sich auch die FDP fühlen: Nach vier Jahren Zwangspause im Parlament feiert sie ihr Comeback. Die einfarbigen Mini-Karten zeigen, woher alle Parteien ihre Stimmen bekommen haben - auch die kleinsten (bitte ausklappen).
Große Koalition hätte doppelt so viele Übereinstimmungen wie Jamaika
Die SPD-Spitze hat nach den schweren Verlusten das Ende der großen Koalition und den Gang in die Opposition angekündigt. Nun läuft es auf ein Jamaika-Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen hinaus. Die Verhandlungen dürften aber schwierig werden. Denn die Differenzen sind groß, wie die Balken verdeutlichen. Sie zeigen den Grad der politischen Übereinstimmung der möglichen Koalitionen laut Wahl-O-Mat an. Aufgeführt sind alle Koalitionen, die rein rechnerisch möglich wären, um mit maximal drei Partnern eine Regierungsmehrheit von mindestens 355 Sitzen zu erreichen. Doch außer Jamaika und der großen Koalition sind alle anderen Bündnisse politisch undenkbar. So haben alle Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen. Aber auch Koalitionen, bei denen FDP und Linke an einem Kabinettstisch sitzen würden, sind nicht vorstellbar. Doch was passiert, wenn die Jamaika-Verhandlungen platzen, ist noch unklar.
Deutschland ist in allen 299 Wahlkreisen nach rechts gerückt
Die klaren Wahlgewinner sind die beiden Parteien, die nicht im Bundestag vertreten waren: die AfD und die FDP. In allen Wahlkreisen ist Deutschland mit der AfD nach rechts gerückt. Die höchsten Zugewinne konnten die Rechtspopulisten in Sachsen (Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge: +27,6 Prozentpunkte) erzielen. Die Karten verdeutlichen die Gewinne und Verluste der Parteien: Je größer der Pfeil, desto größer das Plus oder Minus. Die FDP verdankt ihr Comeback vor allem Wahlkreisen in Nordrhein-Westfalen - mit einem Plus von bis zu 10,5 Prozentpunkten (Düsseldorf I). Dagegen ging es für die SPD in Kiel um 10,8 Prozentpunkte bergab - ein Rekordwert im Rekordtief der Partei.
Je mehr Rentner im Wahlkreis, desto mehr wurde AfD gewählt
Die Generation 60 plus war die heimliche Macht bei dieser Wahl. Mehr als jeder Vierte in Deutschland gehört zu dieser Altersgruppe, die entweder schon in Rente ist oder nicht mehr weit davon entfernt. Besonders im Osten Deutschlands sind viele Gegenden überaltert. Und ausgerechnet dort, wo die AfD nun ihren größten Zulauf bekam, war der Anteil der Älteren am höchsten - wie im östlichsten Wahlkreis Deutschlands: In Görlitz (Sachsen) holte die AfD sowohl das Direktmandat als auch den höchsten Zweitstimmen-Anteil.
Millionen AfD-Stimmen kamen von ehemaligen Nichtwählern und von der Union
Der AfD ist es offensichtlich gelungen, Nichtwähler zu mobilisieren, aber auch Stimmen von anderen Parteien abzuschöpfen - insbesondere von der Union. Das zeigen die Zahlen des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap zur Wählerwanderung. Fast 1,5 Millionen Wähler, die 2013 noch zu Hause geblieben waren, machten diesmal ihr Kreuz bei den Rechtspopulisten. Von enttäuschten ehemaligen Merkel-Unterstützern kommen immerhin mehr als eine Million Wähler. Aber auch die SPD (510.000 Stimmen) und die Linke (420.000 Stimmen) verlieren kräftig an die AfD. Weniger Stimmen kommen von der FDP (120.000) und der geringste Anteil von den Grünen (50.000 Stimmen).
So nah stehen sich die neu gewählten Abgeordneten inhaltlich
Sieben Parteien, sechs Fraktionen, 709 gewählte Politiker: Der Bundestag ist deutlich größer geworden (2013: 631 Sitze), so groß wie nie zuvor. Ob die gewählten 94 AfD-Politiker auch rechtsaußen im Bundestag sitzen werden, wird noch entschieden. Auch sonst ist der Umgang der anderen Abgeordneten mit den Rechtspopulisten unklar. Die Grafik zeigt zumindest, wie weit die AfD-Vertreter von den anderen entfernt sind.
Die Darstellung basiert auf den Antworten des Kandidaten-Checks von abgeordnetenwatch.de: 501 aller nun gewählten Politiker (71 Prozent) haben 22 Thesen zugestimmt, abgelehnt oder als "neutral" bewertet. Je stärker sich die Positionen ähneln, umso näher liegen die Punkte zusammen. Sie verteilen sich aber nicht nach dem politischen Links-Rechts-Schema. Die Grafik macht vielmehr klar, wie weit die Meinungen innerhalb der AfD außeinander gehen - und wie sich eine blaue Mehrheit von allen anderen Abgeordneten inhaltlich abgrenzt.