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Beliebteste Frucht der Welt

Vom Aussterben bedroht – Gibt es bald keine Bananen mehr?

Jeder Deutsche isst im Jahr durchschnittlich zwölf Kilogramm Bananen. In Zukunft könnte sich das ändern, denn die Cavendish-Banane wird durch einen Pilz bedroht, gegen den es bis jetzt kein Mittel gibt.

Die Geschichtet der beliebtesten Frucht der Welt – und warum sie nun in Gefahr ist. Lukas Wagner, Mara Simperler

Die Bananensorte, die die Menschen in Europa und Nordamerika essen, die vertraut gelb im Supermarkt liegt, heißt Cavendish. Für die meisten von uns ist es nicht eine Banane sondern die einzige Banane, die wir kennen. Diese Bananensorte wird von einem Pilz bedroht. Sein Name ist Fusarium oxysporum f. sp. Cubense. Im globalen Bananen-Business wird er auch „Tropical Race 4“ oder abgekürzt TR4 genannt. Dieser Pilz wird über Erde, Wasser und infiziertes Pflanzenmaterial verbreitet, er sorgt dafür, dass die Gefäße der Pflanzen verstopfen und sie abstirbt. Für die Bananenindustrie ist er eine große Gefahr: TR4 kann jahrzehntelang im Boden verbleiben - und es gibt kein Mittel, das dagegen hilft.

Weil der Pilz sich von Asien nach Afrika und irgendwann wohl auch in das bisher verschonte Lateinamerika ausbreitet, gibt es vielleicht bald keine Bananen mehr. „Ach bitte. Schon 2003 stand im New Scientist, wir hätten in zehn Jahren keine Bananen mehr. Und, ist 2013 die Banane ausgestorben? Nein.” Die Geschichte, gegen die sich der Pflanzenpathologe Agustin Bonita Molina Jr., genannt Gus, wehrt, ist die Geschichte einer globalen Bananen-Apokalypse.

Forscher auf der ganzen Welt suchen nach einem Mittel gegen die Bananen-Krankheit. Lukas Wagner, Mara Simperler

Seitdem der Mensch als Bauer sesshaft wurde, hat ihn die Banane begleitet. Im ältesten bekannten Feld der Welt, das im fünften Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung in der Sumpfregion Kuk in Papua-Neuguinea entstand, pflanzten die Menschen Bananen an. Vermutlich aus denselben Gründen, weshalb die Banane heute so beliebt ist: Sie ist in tropischen Gebieten eine recht anspruchslose Pflanze, die das ganze Jahr Früchte tragen kann. Sie vermehrt sich sogar von selbst, über Schösslinge, die aus der Mutterpflanze heraustreiben. Anders als wir Europäer, die im Leben meist nur eine Banane, die Cavendish, kennenlernen, essen die Philippiner ganz verschiedene Sorten. Mehr als 1200 verschiedene Bananensorten gibt es weltweit, manche davon wilde Bananen, die man nicht essen kann.

„Cavendish Bananen reifen schlecht und wenn sie mal so weit sind, schmecken sie ekelhaft. Deshalb essen wir keine Cavendish”, sagt Gus, als er uns am Nachmittag durch das Versuchsfeld der Universität führt. Hier wachsen Bananen der Sorten Pisang Awak und Lakatan, eine andere Pflanze trägt den bezeichnenden Namen „Tausend Finger”, das Büschel, an dem unzählige winzige Bananen hängen, ist zwei Meter lang und zieht die Krone der Bananenpflanze Richtung Boden.

Um bessere Erträge oder resistentere Pflanzen zu entwickeln, züchten Bauern seit Jahrtausenden diejenigen Pflanzen, die die gewünschten Eigenschaften zeigen. Wilde Bananen haben oft viele harte Kerne, domestizierte Bananen haben diese Kerne nicht. Das erleichtert es den Menschen, sie zu essen, es macht die Zucht von neuen Bananen mit traditionellen landwirtschaftlichen Methoden aber zu einer Sisyphusarbeit. Die moderne Banane ist eine sterile Frucht, die sich über Schösslinge fortpflanzt. Diese kleinen Pflänzchen sind im wesentlichen genetische Klone der Mutterpflanze. Das ist einer der Gründe, weshalb die Banane so anfällig ist für Krankheiten wie TR4 - der Genpool ist begrenzt, Pilze und Viren entwickeln sich oft schneller weiter als das Immunsystem der Pflanze.

„Wir brauchen Hilfe für die kleinen Farmer, aber internationale Geldgeber und die internationale Forschung konzentrieren sich auf die profitable Cavendish Industrie”, kritisiert Gus Molina. TR4 ist nicht etwa über Nacht aufgetaucht, schon 1967 konnte man die Krankheit in Taiwan nachweisen. Sie verbreitet sich langsam, 1990 wurden befallene Pflanzen in Indonesien entdeckt, 1997 in Australien. „Es ist nicht das Ende der Welt, wenn TR4 sich verbreitet, man muss die Krankheit nur in den Griff bekommen”, sagt Gus Molina. Genau das ist das Problem von Kleinbauern wie Resurrección Mirafuentes in Mindanao.

Im Bananenland

Mehr als 80% der philippinischen Bananen werden in Mindanao angebaut, einer Insel im Süden des Landes. Mindanao kennt man aus den Schlagzeilen, weil hier seit 1970 die Rebellentruppe Moro National Liberation Front (MNLF) für einen eigenständigen islamischen Staat kämpft. Rund um die größte Stadt der Insel, Davao City, merkt man davon aber im Alltag nichts. Hier dreht sich das Leben um die Bananen, viele tausend Hektar weit erstrecken sich die Plantagen um Davao City.

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Bananen gehören auf den Philippinen zur täglichen Ernährung. Lukas Wagner, Mara Simperler

Resurrección Mirafuentes lebt inmitten eines Gartens voll Bananenstauden, Kokosnüssen, Kakaopflanzen, Durian- und Lansibäumen in einem kleinen Häuschen. Den wunderbaren Namen Resurrección – Auferstehung – verdankt die 66-Jährige der fast 350 Jahre dauernden kolonialen Besetzung der Philippinen durch Spanien, und wie so viele andere Philippinos verwendet sie das Wort „guapo”, wenn sie jemandem ein Kompliment macht, ohne zu wissen, dass sie dabei die Sprache der ehemaligen Kolonialherrscher verwendet.

Resurrección Mirafuentes sitzt mit gefalteten Händen auf einem Holzsessel in ihrem kleinen Haus. Der Raum ist spartanisch eingerichtet, zwei Holzbänke, zwei Holzsessel, eine zerschlissene Ledercouch, aus der grüner Schaumstoff quillt, ein Kühlschrank. Im Eck läuft auf einem alten Röhrenfernseher eine japanische Manga-Serie. „Das Haus ist noch nicht fertig”, sagt sie, nicht entschuldigend, sie stellt einfach eine Tatsache fest. „Ich bin so beschäftigt mit der Farm. Viele Jahre lang hatte ich kein Geld zum Weiterbauen, weil ich alles in die Ausbildung meiner Kinder gesteckt habe.”

Was sie auf den zweieinhalb Hektar Land erntet, hat es ihr ermöglicht, ihre Kinder zur Schule zu schicken, darauf ist Resurrección besonders stolz. Acht Kinder hat sie zur Welt gebracht, sieben Jungen und ein Mädchen, alle längst erwachsen und als Matrosen, Kriminologen, im Dorfrat, in einem Hotel, als Automechaniker und Lehrer tätig. Nur einer, der die Schule nicht schaffte, verdient sein Geld als Schweinezüchter.

Auch Kleinbauern auf den Philippinen fürchten sich vor TR4 Von Lukas Wagner und Mara Simperler

Mit einer Machete in der Hand führt sie durch ihre Farm. Hier wächst alles wild durcheinander, ganz anders als in den Cavendish-Plantagen, in denen die Bananenstauden in hunderten identen Reihen stehen. „Ich habe Cardava, Mondo, Lakatan und Tundan-Bananen”, erklärt Resurrección Mirafuentes. Sie trägt ein violettes Shirt, das an manchen Stellen Löcher hat und übersät ist mit braunen Flecken. Die stammen vom Saft der Bananenpflanze und hat man sie erst einmal auf der Kleidung, wird man sie nie wieder los.

Resurrección Mirafuentes hat einen Kurs des Landwirtschaftsministeriums besucht, in dem sie über die Krankheit TR4 gelernt hat. Seitdem sieht sie diese Krankheit als größte Gefahr für ihre Farm an, auch wenn sie selbst noch keine Fälle von TR4 in der Farm hatte. Das ist etwas, das uns im Laufe der Recherche öfter auffällt. Weil die Angst vor TR4 groß ist, werden viele Schulungen zu dem Thema abgehalten. Das führt dazu, dass manche Farmer in jedem Krankheitsanzeichen ein Symptom von TR4 sehen. „Ich habe sehr wenig Wissen über Fusarium”, sagt Resurrección Mirafuentes, „aber es ist die gefährlichste Bedrohung für meine Bananen.” Natürlich gibt es auch andere, weit verbreitete Krankheiten, wie Black Sigatoka und die Bananenbüschelkrankheit. Anders als TR4 lassen sich diese mit Pestiziden bekämpfen. Das hilft der Banane, hat aber mitunter negative Folgen für Mensch und Umwelt.

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Der Pilz Tropical Race 4 verstopf die Gefäße der Pflanze – sie stirbt. Lukas Wagner, Mara Simperler

Der Pilz Fusarium oxysporum f. sp. Cubense verbreitet sich über Erdrückstände, Wasser und infiziertes Pflanzenmaterial. Die Empfehlung des Landwirtschaftsministeriums ist daher, für ausreichende Quarantänemaßnahmen zu sorgen, um die Verbreitung einzudämmen. Einige der großen Plantagen nehmen diese Empfehlung ernst, sie bauen Stacheldrahtzäune um ihre Felder, an den bewachten Eintritten werden Fahrzeuge und Schuhe desinfiziert. Das soll verhindern, dass infiziertes Material in gesunde Bereiche gelangt. Für kleine Farmer wie Resurrección Mirafuentes wäre solch ein Aufwand viel zu kostspielig. Außerdem verläuft der Weg von der Straße zu ihrem Nachbarn direkt über ihr Grundstück. Als wir im Januar auf den Philippinen recherchieren, gibt es in Mindanao überall schwere Überschwemmungen. Auch durch das Regenwasser kann sich der Pilz verbreiten. Dagegen helfen auch keine Zäune und Fußbäder mit Desinfektionslösung. Die großen Firmen können kompensieren, indem sie mehr Land kaufen, auf unbefallene Flächen ausweichen. Das können Subsistenzfarmer nicht.

Von Geld und Genen

Jeden Tag steht Resurrección Mirafuentes um sechs Uhr morgens auf. „Ich verhalte mich, als ob ich in einem Büro arbeiten würde. Man muss sich mindestens acht Stunden am Tag um die Farm kümmern, damit alles gut wächst”, sagt die 66-Jährige. Was sie erntet, verkauft sie Sonntags am nahegelegenen Markt, insgesamt gut 250 Kilogramm jede Woche. Am Besten verdient sie mit der in den Philippinen beliebten Sorte Lakatan. Im Monat verdient sie mit dem Verkauf ihrer Früchte 16.000 Pesos (ca. 270€), gemeinsam mit einer kleinen Pension, die sie bekommt, seitdem ihr Mann gestorben ist, hat sie so etwa 300 Euro im Monat zur Verfügung. Wenn sie krank wird, geht sie nicht zum Arzt, sie nimmt eine Tablette Paracetamol. Sie ist noch nie aus Mindanao hinausgekommen.

Das größte Problem, das Kleinbauern wie Resurrección Mirafuentes haben, ist, dass die Maßnahmen zum Schutz vor TR4 für sie zu teuer sind. Auch die Suche nach resistenten Bananensorten könnte sie vor ähnliche Probleme stellen: Selbst, wenn Forscher eine Bananensorte entwickeln würden, die für die lokalen Märkte bestimmt ist, was würde passieren, wenn sie diese Sorte patentieren würden und Farmer für die Plantagen Lizenzgebühren zahlen müssten?

Dieses Szenario ist durchaus real: In Europa haben wir mit Gert Kema telefoniert, der an der Universität Wageningen in den Niederlanden an neuen Sorten forscht und den Zeitungen gerne als Experten befragen, wenn es um das Thema TR4 geht. Er antwortete auf die Frage nach einem möglichen Problem mit patentierten Bananen zwar, dass der Zugang zu resistentem Pflanzenmaterial maximiert werden sollte. Gleichzeitig will er aber auch die finanziellen Interessen schützen: „Wenn man viel Geld und Zeit in die Entwicklung einer neuen Sorte steckt, will man sich natürlich auch davor schützen, dass diese gestohlen oder von jemand anderem lizenziert wird.” Ähnliche Aussagen hören wir von mehreren Forschungseinrichtungen. Auch wenn niemand gerne darüber spricht: Hier geht es um viel Geld.

Ein anderes Thema ist, dass Forscher auf der Suche nach neuen Sorten viel Hoffnung in eine Methode legen, der die meisten Menschen in Europa sehr kritisch gegenüberstehen: der Gentechnik. In den vergangenen Jahren wurde das sogenannte “Gene Editing”, also die gezielte Veränderung des Erbguts, technisch enorm weiterentwickelt. Man kann genau wie nie zuvor bestimmte Eigenschaften von Pflanzen, wie etwa deren Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten, verändern. Auch an der Banane wird mit diesen Mitteln geforscht. Ein wichtiger Schritt für die Forschung passierte 2012, als die Gensequenz der Bananensorte Musa acuminata entschlüsselt wurde. Wir wissen nun, dass die Banane rund 36.500 Gene besitzt. Zum Vergleich: Der Mensch besitzt etwa 25.000 Gene.

Das Entschlüsseln des Genoms dauerte 11 Jahre, nun geht es darum, resistente Gene zu identifizieren und diese in die bedrohten Bananensorten einzupflanzen. Und bis aus einer Züchtung im Labor eine Banane wird, die für den Konsum geeignet ist, kann es noch länger dauern. Forscher der Queensland University of Technology benötigten 12 Jahre, um eine Bananensorte aus Uganda so zu modifizieren, dass sie mehr Beta-Karotin enthält - und somit gegen Nährstoffmangel helfen soll. Obwohl der Anbau der Banane bereits getestet wird, ist immer noch nicht klar, ob die genetisch veränderte Frucht kommerziell zugelassen wird. Und: es handelt sich hier um nur eine von mehreren hundert lokal wichtigen Sorten. Gus Molina, der Forscher aus Manila, kritisiert das Heilsversprechen der Gentechnik deshalb aus einem ganz pragmatischen Grund: „Wir können nicht warten bis die Gentechnik die perfekte Banane entwickelt. Das kann zehn, zwanzig oder dreißig Jahre dauern. Wir haben heute Farmer, deren wichtigstes Einkommen die Banane ist. Sie brauchen jetzt Hilfe.”

Eine Frage der Verantwortung

Eine pragmatische Lösung, die schnell helfen könnte, wäre die Verwendung von Bananenpflanzen, die im Labor aus gesundem Gewebe gezüchtet werden, sogenannte „tissue culture”. Normalerweise verpflanzen Farmer einfach die Schösslinge, die sich aus der Mutterpflanze entwickeln, um ihre Farm neu zu bepflanzen. Doch eine kranke Mutterpflanze bringt kranke Schösslinge hervor. Würde man mit den Jungpflanzen aus dem Labor arbeiten, könnte man sich sicher sein, dass man gesunde Bananen ins Feld setzt. Doch anders als der Schössling, der auf dem eigenen Feld wächst, kosten die Pflanzen aus dem Labor Geld.

An der Erforschung einer neuen Export-Banane, einem Ersatz für die Cavendish, haben große Unternehmen wie Chiquita, Dole oder Del Monte ein wirtschaftliches Interesse: schließlich werden jedes Jahr rund zehn Milliarden Euro mit der gelben Frucht umgesetzt. Für die Erforschung von lokalen Bananensorten sind Wissenschaftler daher meist auf öffentliche Gelder oder philanthropische Organisationen angewiesen. „Der Fördertopf der Regierungen für Forschungen ist sehr klein”, sagt Lorna Herradura, die für das philippinische Landwirtschaftsministerium in Davao City arbeitet. „Und wir müssen unsere Ressourcen auf alle Pflanzen aufteilen, die die Menschen anbauen, nicht nur die Bananen.” Auch schnell umsetzbare Lösungen wie tissue culture oder Quarantänemaßnahmen können daran scheitern, dass die Farmer keine Unterstützung der Regierung bekommen, um die Techniken zu erproben.

Vor mehr als 40 Jahren beschlossen die Vereinten Nationen, dass reiche Staaten 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen sollten. 2016 haben von den 28 Ländern der Europäischen Union nur fünf dieses Ziel erreicht. Selbst Deutschland, dessen Quote bei exakt 0,7 Prozent liegt, hätte 2016 ohne die Anrechnung von Ausgaben für Flüchtlinge im Inland nur etwa 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe aufgewendet. Und Probleme gibt es viele, für so spezifische Probleme wie die Bedrohung lokaler Bananensorten bleibt höchstens ein winziger Teil des Geldes über.

Wer die DDR erlebt hat, kann sich an Zeiten erinnern, in der die Banane das war, was sie im Grunde in Europa sein sollte: Eine exotische Frucht. Doch mittlerweile gehört die Exportbanane Cavendish, die wochenlang über den Ozean nach Europa fahren muss für die meisten Menschen zum Alltag wie ein Apfel, der in Nachbars Garten wächst, und und im Supermarkt genauso wenig kostet. Es braucht die Hilfe internationaler Geldgeber und staatlicher Entwicklungshilfeorganisationen, damit das auch für die Menschen so bleibt, die von anderen Bananensorten abhängig sind.