Trotz Corona-Maßnahmen ist die Zahl der Todesfälle in Deutschland zuletzt deutlich über den Durchschnitt der Vorjahre gestiegen - auch für das gesamte Jahr 2020 werden es wesentlich mehr Tote als sonst sein. Das zeigen die vorläufigen Daten des statistischen Bundesamts zur Übersterblichkeit im vergangenen Jahr. Danach sind allein bis Mitte Dezember 921.989 Menschen gestorben – über 28.000 mehr als im Mittel der vier Vorjahre im gleichen Zeitraum. Die Übersterblichkeit, also überdurchschnittlich hohe Sterbefallzahlen, betrifft bisher fast ausschließlich Menschen im Rentenalter.
Zu überdurchschnittlichen Sterbefallzahlen könnten auch Verschiebungen in der Altersstruktur der Bevölkerung beitragen. Ein Zusammenhang zwischen überdurchschnittlich vielen Todesfällen 2020 und der Corona-Pandemie sei aber „sehr, sehr naheliegend“, sagt Dr. Felix zur Nieden, Experte für Demografie und Sterbefallzahlen im Statistischen Bundesamt. Deutliche Anzeichen dafür seien Anstiege zu untypischen Jahreszeiten, wie im April und Mai. Zudem passen die Zahlen zu gemeldeten Corona-Todesfällen.
Während 2018 eine besonders heftige Grippewelle dazu beigetragen hat, dass verglichen mit den Jahren 2016 bis 2019 damals fast 22.000 mehr Menschen starben, blieben die Sterbefallzahlen während der üblichen Grippesaison diesmal in den ersten Monaten des Jahres deutlich niedriger als sonst.
Zusätzlich dürften erste Corona-Maßnahmen, wie Schulschließungen ab Mitte März (12. KW), laut RKI „erheblich“ zu einem früheren Ende der Grippesaison 2020 geführt haben. Durch Kontaktbeschränkungen wurde auch die Ausbreitung anderer ansteckender Krankheiten gebremst.
Die Grafik verdeutlicht die tödlichen Auswirkungen der ersten und zweiten Coronawelle. Die hohe Übersterblichkeit im Sommer hingegen hatte nichts mit Corona zu tun. Die Gesundheitsämter meldeten in den Sommermonaten nur wenige Fälle, bei denen Menschen an oder mit einer Coronona-Infektion gestorben sind. Grund für die Übersterblichkeit zu dieser Zeit war - wie auch schon in Vorjahren - eine Hitzewelle.
Im internationalen Vergleich ist Deutschland bis Mitte Dezember glimpflich davongekommen: Auf das Jahr verteilt starben bis dahin drei Prozent mehr Menschen als in den Vorjahren. Doch im Gegensatz zu anderen Ländern steckt Deutschland noch mittendrin: Mitte Dezember (50. KW), dem letzten Stand der Statistik, war die Übersterblichkeit in Deutschland mit 23 Prozent auf einem Rekordstand. Und seitdem steigt die Zahl der gemeldeten Corona-Toten besonders schnell an. Nur innerhalb eines Monats hat sie sich fast verdoppelt: Von Mitte Dezember bis Mitte Januar sind mehr als 20.000 weitere Meldungen hinzugekommen.
Andere Länder traf es 2020 deutlich härter, zeitweise starben doppelt so viele Menschen wie in Vorjahren. Die erste Welle traf vor allem Italien, Spanien und Großbritannien, die zweite Welle besonders Polen sowie Tschechien. Und Belgien wurde von beiden Wellen gleichermaßen erwischt. Mit über einer Million mehr Toten als sonst liegen die USA 2020 weit über sämtlichen europäischen Ländern, obwohl auch in Spanien und Chile das Jahr über insgesamt fast ein Fünftel mehr Menschen gestorben sind als im Durchschnitt der Jahre zuvor.
In Neuseeland hingegen sind 2020 nach vorläufigen Zahlen sogar zwei Prozent weniger Einwohner*innen gestorben als in den Vorjahren. Die neuseeländische Regierung hatte durch frühe, strenge Maßnahmen erreicht, dass es schon im Juni keine aktiven Corona-Infektionen im Land mehr gab. Neue Ausbrüche wurden durch Einreiseverbote auf die Insel, Quarantäne für Rückkehrer*innen und schnelle, harte Lockdowns bei erneutem Auftauchen des Virus erfolgreich verhindert.