Jahrelang hat sich Deutschland mit günstigem russischem Gas versorgt. Noch 2021 stammte mehr als die Hälfte des hierzulande genutzten Erdgases (55 Prozent) aus Russland. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine löst sich Deutschland von dieser Energieabhängigkeit - und ist seit dem Spätsommer auch dazu gezwungen. Russland hat den Gashahn gen Westen komplett zugedreht. Gut gefüllte Gasspeicher, höhere Importe aus anderen Ländern und weniger Verbrauch sollen einen Gasmangel in diesem Winter vermeiden.
Gut gefüllte Gasspeicher sind in der Heizperiode entscheidend: In der Zeit von Oktober bis April steigt der Gas-Bedarf der privaten Haushalte sprunghaft. Die Grafik zeigt die Tagesfüllstände seit Jahresbeginn (gefettete Linie) im Vergleich zum Vorjahr (dünne Linie). Deutschland kann insgesamt 230 Terawattstunden Gas speichern - die größte Kapazität in Europa. Zu Beginn der aktuellen Heizsaison waren die Tanks randvoll, hatten Ende Oktober/Anfang November einen Füllstand von 100 Prozent. Wie schnell sie sich leeren, ist ungewiss.
Der Bundestag hat nach dem russischen Überfall auf die Ukraine ein Gasspeichergesetz erlassen und darin erstmals verbindliche Mindestfüllstände definiert: Am 1. Februar sollen demnach die Reserven immer noch bei 40 Prozent liegen – als Mindestfüllstand. Die Bundesnetzagentur hat zur Bewertung der Gaslage berechnet, wie voll die Speicher an den einzelnen Tagen der Kernphase dieser Heizperiode sein müssten (markierter Bereich von November bis Ende März).
Und nach dem Winter ist vor dem Winter. In den wärmeren Monaten werden die Speicher aufgefüllt, um zum 1. September einen Speicherstand von 75 Prozent zu haben. Für den 1. Oktober sind 85 Prozent vorgeschrieben, am 1. November gilt es mindestens 95 Prozent zu erreichen.
Die Karte zeigt verschiedene Gasspeicher in Deutschland nach Kapazität und Füllstand. Der Gasinfrastrukturverband GIE sammelt Daten für den größten Teil der verfügbaren Speicher Deutschland und Europa: Die Standorte auf der Karte repräsentieren mehr als 90 Prozent der Speicherkapazität in Deutschland. Auffällig geringe Füllstände sind auf der Karte Rot dargestellt.
Deutschland ist auf Erdgas aus dem Ausland angewiesen. Über ein weit verzweigtes europäisches Netz aus Röhren importiert Deutschland die Energie. Lange Zeit lieferte Russland über Nord Stream die größte Menge nach Deutschland. Seit kein russisches Gas mehr ankommt, importiert Deutschland mehr Gas aus Nachbarländern. Wichtige Lieferanten sind vor allem Norwegen und die Niederlande. Nicht alle Importe bleiben in Deutschland. Ein Teil der Gaslieferung durchquert die deutschen Röhren, um an Nachbarländer weitergeleitet zu werden.
Für Deutschland soll künftig auch Flüssiggas eine wichtige Rolle einnehmen. Das sogenannte LNG (Liquefied Natural Gas) wird über Schiffe an Terminals liefert. Das verflüssigte Gas wird dort umgewandelt und in das Röhrensystem gepumpt. Zusätzlich zu den Terminals westlicher Nachbarländer, baut Deutschland eigene Anlandestationen. Das erste deutsche LNG-Terminal hat bereits Mitte Dezember 2022 in Wilhelmshaven seinen Betrieb gestartet – knapp zehn Monate nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.
Die Preise für Erdgas sind bis September 2022 in immer neue Höhen geklettert. Die Grafik verdeutlicht diese Entwicklung anhand der täglichen Gaspreise für Neukunden: Die Preise stiegen bereits im Herbst 2021 - und nach dem russischen Überfall noch deutlicher bis auf Spitzenpreise nach dem Lieferstopp von Nordstream 1. Die Kosten für eine Kilowattstunde setzen sich aus verschiedenen Faktoren zusammen: Die Versorger kaufen zu Großhandelspreisen, die bei knappem Angebot steigen. Hinzu kommen Steuern und Abgaben.
Die Bundesregierung will 2023 mit einer sogenannten Gaspreisbremse den Preisschock gering halten: 80 Prozent des Jahresverbrauchs werden auf 12 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt. Als Referenz gilt Verbrauch aus dem Monat September 2022. Für alles darüber gilt der normale Marktpreis. Zusätzlich hat die Bundesregierung bis Ende März 2024 die Umsatzsteuer von Gaslieferungen von 19 auf 7 Prozent gesenkt.
Deutschland muss Gas sparen. Die Bundesnetzagentur hat für die Heizsaison von Anfang Oktober bis Ende April ein Sparziel von 20 Prozent gegenüber den Vorjahren herausgegeben. Eine wichtige Rolle spielen dafür die Temperaturen: So hofft Deutschland auf einen milden Winter mit weniger Heizbedarf. Die Industrie kann sparen, indem sie effizienter produziert oder teilweise Gas in ihren Herstellungsprozessen ersetzt.
Bundesweit soll der Verbrauch durch eine Sparverordnung verringert werden. Die meisten öffentlichen Gebäude dürfen nur bis maximal 19 Grad beheizt werden. Leuchtreklame muss in der Regel zwischen 22 und 16 Uhr ausgeschaltet sein. Auch Strom sparen heißt Gas sparen. Denn noch immer werden große Mengen Gas verstromt. Die dafür eingesetzte Gasmenge ist 2022 gegenüber dem Vorjahr kaum gesunken.
Den höchsten Gasbedarf in Deutschland haben die Industrie und die Haushalte: Zwei Drittel des gesamten Gases wurden im Jahr 2021 zum Heizen von Wohnungen oder für die Produktion genutzt, laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Vor allem Chemiebetriebe sind auf den Energieträger angewiesen.
Falls ein Gas-Mangel herrscht, entscheidet die Bundesnetzagentur, wer wie viel Gas bekommt. Dann greift eine europäische Verordnung über für diesen Fall besonders schützenswerte Gruppen: Das seien laut Bundesnetzagentur private Haushalte, Krankenhäuser, Pflegeheime, Polizeistationen und Kasernen.