Klicken oder tippen Sie hier, um die interaktive Anwendung zu nutzen
Gehaltsvergleich

Wo Frauen mehr verdienen als Männer

Bei der gleichen Bezahlung von Frauen und Männern gehört Deutschland zu den Schlusslichtern innerhalb der EU. Die Auswertung zeigt die Kluft in den Berufen - und die regionalen Unterschiede.

126
Berufsfelder
110
in denen Männer mehr verdienen
11
in denen Frauen und Männer fast gleich verdienen
5
in denen Frauen mehr verdienen

In kaum einem anderen Land Europas ist die Kluft bei der Bezahlung von Frauen und Männern so groß wie in Deutschland. Mit 22 Prozent liegt die sogenannte Gender-Pay-Gap (Geschlechter-Gehaltslücke) deutlich über dem EU-Durchschnitt (16,3 Prozent). Laut der EU-Kommission ist die Lücke nur noch in Tschechien (22,5 Prozent) und Estland (26,9 Prozent) größer. Die Berliner Morgenpost hat nun ermittelt, in welchen Berufen und in welchen Regionen Deutschlands die Unterschiede besonders groß sind - und wo sich die Lücke bereits geschlossen hat. In lediglich jedem achten Berufsfeld verdienen Frauen hierzulande mindestens genauso viel wie ihre männlichen Kollegen, in nur fünf davon mehr. Das zeigt die Auswertung der Gehaltsstatistiken der Bundesagentur für Arbeit.

In welchen Berufsfeldern Frauen mehr, weniger oder fast gleich verdienen

Ausgerechnet in Jobs, die allgemein als Männersache gelten, können Frauen punkten. So verdienen sie im Hochbau rund ein Viertel (24 Prozent) mehr als ihre männlichen Kollegen, was einem Plus von monatlich 648 Euro Brutto entspricht. Auch in der Fahrzeugbautechnik (+21 Prozent ) und im Tiefbau (+19 Prozent) haben Frauen mehr auf dem Gehaltszettel. Das lässt darauf schließen, dass die verhältnismäßig wenigen Frauen, die in diesen Branchen arbeiten, dort verantwortungsvollere Positionen einnehmen als ihre männlichen Kollegen. Warum die Lücke in einigen Berufsgruppen größer ist als in anderen, könne ganz unterschiedliche Gründe haben, sagt Katharina Wrohlich, die am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin zur Gender-Pay-Gap forscht. "Frauen, die sich für männerdominierte Berufe entscheiden, sind häufig besonders für diese speziellen Berufe motiviert und vielleicht auch besonders ehrgeizig - dies kann sich wiederum positiv auf ihr Gehalt auswirken", sagt die DIW-Expertin.

Der Anteil Berufe, in denen Männer mehr verdienen, überwiegt aber deutlich in Deutschland. Auch die Gehaltslücke ist hier größer als auf der Seite der Frauen. So haben in den meisten Chefetagen Männer nach wie vor die deutlich besser bezahlten Jobs: In Berufen der Unternehmensorganisation - und Strategie klafft eine Lücke von mehr als einem Drittel. Eine noch größere Ungleichheit in punkto Verdienst herrscht in Berufen der Justiz und Rechtsberatung. Dort bekommen Frauen nach den vorliegenden Daten im Mittel nur die Hälfte, und das ist nur ein Mindestwert. Denn diese Berufe gehören zu Tätigkeitsfeldern, in denen traditionell besonders gut verdient wird: im Mittel mehr als 5400 Euro monatlich. Ab dieser Bemessungsrenze fehlen aber konkrete Angaben zu den jeweiligen Gehältern. Klar ist nur, dass in diesen Berufgruppen die Mehrheit der Männer diese Gehaltsgrenze überschreitet - im Gegensatz zu den Frauen.

Gehaltslücke macht ehemalige DDR sichtbar

Wo Frauen weniger verdienen - und wo mehr

weniger
-40%
fast gleich
+20%
mehr

Im regionalen Vergleich der 401 Kreise und kreisfreien Städte fällt auf, dass Frauen nur dort mehr verdienen, wo sonst wenig verdient wird. Alle 44 Kreise oder kreisfreien Städte, in denen Frauen mindestens fast das gleiche Geld bekommen, liegen ausnahmslos im strukturschwachen Osten (maximal 3 Prozent Abweichung, gelb und grün auf der Karte). In 15 davon fällt die Gehaltslücke zugunsten der Frauen aus - allen voran Frankfurt/Oder und Cottbus (beide Brandenburg) mit jeweils einem Plus von 17 Prozent. Dagegen haben die Frauen im reichen Süden Deutschlands deutlich weniger auf dem Gehaltszettel als ihre männlichen Kollegen. Spitzenreiter bei der Negativlücke ist hier der Kreis Dingolfing-Landau (Bayern), 38 Prozent weniger verdienen Frauen hier.

Die Karte der Gehaltsunterschiede macht in großen Teilen die ehemalige DDR sichtbar. Doch nicht nur die hohe Arbeitslosigkeit und die wenigen gut bezahlten Jobs spiegeln sich hier wider. Auch die Arbeitskultur aus der DDR wirkt nach. „Es gab nicht diese klassische Rolle der Hausfrau und Mutter. Stattdessen war es selbstverständlich, dass Frauen neben der Familie auch Karriere machen konnten", sagte DIW-Expertin Wrohlich. Noch im dritten Jahrzehnt nach der Maueröffnung sei die Kindertagesbetreuung im Osten deshalb besser ausgebaut und erleichtere Müttern den Berufsalltag.

Expertin: Neue Unternehmenskultur und Steuerreform nötig

Von diesen Strukturen profitiert auch das zusammengewachsene Berlin. So verfehlt die Hauptstadt den Sprung in die Gruppe der Regionen mit der geringsten Gehaltslücke mit minus vier Prozent nur knapp. Dass sich die Lücke in ganz Deutschland schnell schließt, hält Wrohlich aber eher für unwahrscheinlich: „Nur ein Umdenken in der deutschen Unternehmenskultur und Reformen des Steuersystems können das Ungleichgewicht in der Bezahlung von Männern und Frauen verkleinern." Noch gebe es zu viele negative Anreize für klassische Zweitverdiener, also typischerweise Frauen. Auch wegen der Präsenzkultur in den Unternehmen und dem unzureichenden Angebot an Kitabetreuung hätten Frauen noch immer das Nachsehen in der Karriereplanung.

Lesen Sie weiter
Was Kameras aus Ihrem Gesicht lesen können
Die Gesichtserkennung rückt in unser Leben. Was wissen Kameras bereits? Wir haben es getestet. Versuchen Sie es selbst.