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Wahlumfragen von 2005 bis heute

Wer mit Merkel regiert, verliert

Seit zwölf Jahren ist Angela Merkel Bundeskanzlerin. Eine Auswertung von Sonntagsfragen zeigt, wie ihre Koalitionspartner stets ins Umfragetief gefallen sind.

Ein Punkt, eine Umfrage
Linie
Mittelwert der Umfragen
CDU/CSU
SPD
Grüne
Linke
FDP
Piraten
AfD
1

Herbst 2006: Reformfrust trotz Sommermärchen

Die zweite große Koalition im Bund - zugleich die erste Regierung mit einer Kanzlerin Angela Merkel - startet unter besten wirtschaftlichen Bedingungen und mit großer Zustimmung. Doch innerhalb eines Jahres sacken Umfragewerte beider Parteien rapide ab. Auch die gute Stimmung durch das Sommermärchen der Fußball-WM färbt nicht auf Schwarz-Rot ab. Die Union erreicht im Herbst 2006 ihren absoluten Tiefpunkt bei den Umfragen in der Ära Merkel: 28 Prozent ermittelt Forsa am 1. November 2006 - ein Minus von 20 Prozentpunkten im Vergleich zu den Rekordwerten aus der Anfangsphase (48 Prozent am 27. Januar 2006, Forschungsgruppe Wahlen). Grund ist ein Reformfrust und die Finanzpolitik: So werden die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Kürzung von Pendlerpauschale und Sparerfreibetrag sowie die diskutierte Gesundheitsreform mehrheitlich abgelehnt. Die FDP bekommt zu dieser Zeit Aufwind. CDU/CSU können sich dank Merkel von diesem Tief wieder erholen, während es für den Koalitionspartner SPD weiter steil bergab geht, von 36 Prozent in der Startphase (14. Oktober 2005, Forschungsgruppe Wahlen) bis zur 20-Prozent-Marke im Wahlsommer 2009 (Forsa am 5. August).

2

Sommer 2009: Wechselstimmung nach der Finanzkrise

Die SPD gerät unter Merkel in einen Abwärtssog. Die noch von ihr angestoßenen Hartz-IV-Reformen sorgen weiter für Unmut und für ein Erstarken ihres Konkurrenten von links: Die Linkspartei.PDS schließt sich im Juni 2007 mit der WASG zur Partei Die Linke zusammen und gewinnt danach kontinuierlich in den Umfragen - bis zu einem Top-Wert von bundesweit 15 Prozent am 21. Mai 2008 (Emnid). Die Finanzkrise bestimmt die zweite Hälfte der Legislaturperiode. Schwarz-Rot fühlt sich schließlich im Oktober 2008 gezwungen, eine Garantie für Spareinlagen der Bürger zu geben. Insgesamt ist die große Koalition nicht besonders populär. Doch die Union kann sich in Umfragen behaupten - durch Angela Merkel. Wahlforscher ermitteln, dass sich das Ansehen der Kanzlerin zunehmend deutlich abhebt vom Ansehen der großen Koalition. Gleichzeitig bekommt die FDP kräftig Auftrieb - und am 11. Februar 2009 eine Rekord-Zustimmung von 18 Prozent in einer Forsa-Umfrage. Es herrscht Wechselstimmung im Wahljahr: In Umfragen wird Schwarz-Gelb favorisiert.

3

Frühjahr 2011: Fukushima sorgt für grünen Wandel

Kurz nach der Bundestagswahl von 2009 sind die Wähler noch zufrieden mit ihrem Votum für Schwarz-Gelb. Neben Merkel hat sich längst ein anderer Politiker an der Spitze der Beliebtheitsskala etabliert: Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) überholt die Kanzlerin. Zentrales Projekt der Bundesregierung sind Steuersenkungen. Doch die Wähler sind schnell enttäuscht - besonders von der FDP. Die Liberalen verlieren und werden noch 2009 von den Grünen in den Umfragen überholt. Themen wie der Klimawandel und der Atomausstieg werden wichtiger. Die Schwäche der Regierung nutzt auch der SPD. Zu großer Besorgnis führt 2010 die Krise des Euro und der Umgang damit. Unbeliebt macht sich Schwarz-Gelb zudem durch die Gesundheitsreform mit höheren Krankenkassen-Beiträgen. Nachdem sich am 11. März 2011 die Nuklearkatastrophe von Fukushima ereignet, setzt ein grüner Sinneswandel ein. Die Grünen erzielen Rekordwerte in den Umfragen - und bei Landtagswahlen: Winfried Kretschmann wird Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Und Angela Merkel leitet ihre Energiewende ein.

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Frühjahr 2012: Piraten im kurzzeitigen Höhenrausch

Nachdem die Piraten bei ihrer ersten Bundestagswahl nur zwei Prozent erzielt haben, segeln sie seit Herbst 2011 auf der Erfolgswelle in den Ländern. Ihre Themen und ihr unkonventionelles Auftreten treffen den Nerv vieler insbesondere junger Wähler. Als erstes erobern sie im Herbst 2011 das Berliner Abgeordnetenhaus. Das macht die Bewegung bundesweit noch bekannter - auch als Mitmach-Partei: Der Erfolg sorgt zugleich für eine Eintrittswelle. Die Piraten kapern schließlich im Frühjahr 2012 weitere Landesparlamente: im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen. In bundesweiten Umfragen überholen sie Die Linke sowie die FDP und erreichen am 23. Mai 2012 einen Rekordwert von 12 Prozent (GMS). Für viele sind sie offensichtlich auch eine Alternative zu den Grünen. An Merkel kratzt das nicht - genauso wenig wie zuvor die Affäre um Bundespräsident Christian Wulff (CDU). Die Piraten stürzen aber noch 2012 wieder in den Umfragekeller - nach personellen Querelen und Streit um die Ausrichtung.

5

Herbst 2014: Erstes Hoch für die AfD

Noch vor der Bundestagswahl betritt eine neue Kraft von rechts die politische Bühne: die AfD, damals vor allem eine Partei der Euroskeptiker. Doch Merkel kann sie vorerst kaum gefährlich werden: Die Union fährt im September ihr stärkstes Ergebnis seit 23 Jahren ein und die AfD verfehlt den Einzug. Die Kanzlerin ist beliebt wie nie. Und sie bleibt es auch, als 2014 die Zuwanderung erstmals das wichtigste Thema in den Wahlumfragen wird - bedingt durch die neue volle Freizügigkeit innerhalb der EU. Die AfD schafft im Mai den Sprung ins Europaparlament und zieht bei allen drei Landtagswahlen des Jahres 2014 (Sachsen, Thüringen, Brandenburg) in die Landesparlamente ein. Mit 10 Prozent erreichen die Rechtspopulisten am 29. September zum ersten Mal ein zweistelliges Ergebnis bei bundesweiten Umfragen (Forsa). Am 20. Oktober veranstaltet Pegida seine erste Demonstration in Dresden, eine deutliche Mehrheit der Deutschen lehnt die Islam-Hasser ab.

6

Herbst 2015: Flüchtlingskrise kratzt an Merkel

Innerhalb der AfD kommt es 2015 zu einem monatelangen Machtkampf, den der rechte Flügel im Juli gewinnt: Frauke Petry wird neue Chefin, Parteigründer Bernd Lucke geht. Die Deutschen zweifeln noch an einen langfristigen Erfolg der AfD. Die Partei stürzt im Juli in mehreren Umfragen auf Werte von 3 Prozent - obwohl nach Griechenland im Sommer Flüchtlinge das größte Thema sind. Doch in Deutschland herrscht zunächst eine Willkommenskultur. Die Zweifel an der Bewältigung der Flüchtlingskrise wachsen aber schnell. Am 31. August sagt Merkel: "Wir schaffen das!" und für die Union beginnt eine Talfahrt. Sie rutscht bis zum Herbst 2016 in einigen Umfragen unter 30 Prozent. Die SPD fällt mit. Die AfD erreicht ihren bisherigen Umfrage-Rekord von 16 Prozent (23. September 2016, INSA).

7

Anfang 2017: Der Schulz-Zug rast - bis zur Vollbremsung

Im Winter 2016/2017 können sich Union und SPD von ihrem Umfragetief wieder erholen. Die Union bekommt Aufwind, als Merkel im November ankündigt, wieder als Kanzlerkandidatin anzutreten. Der AfD wird zu diesem Zeitpunkt aber noch ein zweistelliges Ergebnis zugetraut. Doch im Januar präsentiert die SPD ihren Kanzlerkandidaten: Der von vielen als neuer Mann empfundene Martin Schulz beschert der Partei einen Hype, Eintrittswelle inklusive. Plötzlich scheint ein Politikwechsel möglich, Schulz überholt sogar Merkel im direkten Vergleich. Der Schulz-Zug rast auf ein Hoch von 33 Prozent in mehreren Umfragen - bremst aber im Frühjahr nach Landtagswahlen stark ab, auf bis zu 23 Prozent. Ausgerechnet im SPD-Kernland NRW verlieren die Sozialdemokraten. Gleichzeitig meldet sich die FDP wieder zurück, während die Grünen mit ihren Spitzenkandidaten einen neuen Tiefpunkt erreichen.

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Juli 2017: AfD im Sinkflug - "Ehe für alle” im Eiltempo

Die AfD liefert sich im Frühjahr einen neuen Machtkampf, rückt weiter nach rechts und wirkt kopflos. Sie halbiert ihre Umfragewerte innerhalb weniger Monate, ihr Einzug in den Bundestag gilt nicht mehr als sicher. Die Flüchtlingswelle ist längst deutlich abgeebbt, und das zweite Top-Thema der AfD, die Innere Sicherheit, besetzen auch andere: selbst Grüne und Linke wollen mehr Polizei. Bei einem großen gesellschaftlichen Thema kann sie sich nur empören. Die jahrelang diskutierte "Ehe für alle” hat die SPD zusammen mit Grünen, Linken und einigen Unionsabgeordneten noch ganz schnell vor der Sommerpause durchgesetzt - nachdem Merkel von einer Gewissensentscheidung sprach. Laut Umfragen hat dies der Union nicht geschadet, der SPD aber auch nicht genützt. Und die Kanzlerin geht gestärkt in den Wahlkampfsommer: Merkel hat wieder Beliebtheitswerte wie vor der Flüchtlingskrise.

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