Koblenz
Rheinland-Pfalz / Sachsen
Das Deutsche Eck in Koblenz am Rhein war bis 1990 Mahnmal der deutschen Einheit. Für Christian Altmaier (42), Stadtverordneter der Freien Wähler in Koblenz, steht der Ort, der von Touristenscharen aus aller Welt besucht wird, bis heute symbolisch für die Wiedervereinigung.
In Koblenz am Knappensee nahe der polnischen Grenze ist weniger los. Der Tourismus ist weggebrochen, weil der Tagebau-See seit Jahren saniert wird. Stefan Wenda (31) und seine Schwester Stefanie (27) lieben ihren orangefarbenen Trabi - als Oldtimer, weniger als DDR-Symbol. Gekauft hat er ihn übrigens im Westen.
Weimar
Hessen / Thüringen
Was sich in Weimar in Hessen geändert hat? Die Fachwerkdörfer haben jetzt Neubauviertel, am Baggersee gibt es Palmen. Am Strand treffen wir Rita Schulze Tergeist und Stefan Bendel. Die deutsche Einheit? Mit der sei es ein bisschen wie mit Europa, meinen sie. „Wir sind vereint, aber es funktioniert noch nicht so richtig.“
Im berühmten Weimar in Thüringen gehörten Goethe und Schiller zu den wenigen Konstanten nach dem Mauerfall. Trotzdem leben die Menschen heute gern dort, darunter viele Rückkehrer wie Nadja und Jörg Riedel, die mit Sohn Joschua in der sanierten Innenstadt unterwegs sind. Während im Zentrum immer Menschen aus dem Westen lebten, müssten viele Weimarer ins Umland ziehen, sagt Nadja Riedel, „weil sie sich Mieten und Immobilienpreise nicht leisten können.“
Bergen
Bayern / Mecklenburg-Vorpommern
Selbst wer nur die Seilbahn nimmt, schnappt in Bergen im Chiemgau erstmal nach Luft – so atemberaubend ist die Aussicht von den Alpen. In Bergen auf Rügen reicht fürs große Naturerlebnis ein Blick auf Kreidefelsen und Ostsee. Das Thema Einheit? Wanderer Stefan Fischer sagt in schönstem Bayerisch: Den Osten habe erst nach dem Mauerfall entdeckt, wandernd natürlich: „Die Sächsische Schweiz hat auch ihren Reiz.“
Uwe Hinz ist Kürschnermeister und Stadthistoriker in Bergen auf Rügen. Seinen Gästen berichtet er als „Magister Historicus” aus der Geschichte Bergens, auf Wunsch auch der eigenen: Die Kürschnerei konnte trotz Sozialismus selbstständig bleiben. Als langjähriger Stadtverordneter steht Hinz auch dafür, was Demokratie hier bedeutet. 1989 gehörte er zu jenen, die sich die Freiheit wünschten. Heute sieht er manches skeptisch. „Viele Menschen fühlen sich von der Politik nicht mitgenommen.“
Karlsruhe
Baden-Württemberg / Brandenburg
Das Zentrum von Karlsruhe in Baden-Württemberg ist eine riesige Straßenbahn-Baustelle. Die Stadt hat 300.000 Einwohner, der Vorort Oberreut gleicht ostdeutschen Trabantenstädten. Silvia und Wolfgang Windheim leben gern hier. „Die Nachbarn kennen sich, viele sind Freunde.“ Viele kamen einst aus anderen Ländern. Ein guter Freund stammt aus der Lausitz. Sie deuten auf einen blauer Herrnhuter Stern auf einem Balkon. Heute ist die Lausitz ihr Lieblings-Urlaubsziel.
Karlsruhe in der Prignitz hat 19 Einwohner. Vier sind Michael Wuttke und Ina Kapiske, Charlotte (5) und Lena (19). Die Familie betreibt eine Gärtnerei. Wutte war Landschaftsgärtner in Berlin, „aber eines Tages wusste ich, ich will raus“. Seit 2004 lebt er in Karlsruhe, erreichbar nur über eine Kopfsteinpflaster-Allee. Zu DDR-Zeiten war er Binnenschiffer. An der Mauer war Schluss. 1989 floh er über Prag in den Westen. Er sagt: „So frei wie heute hätte ich in der DDR nie leben können.“
Halle
Nordrhein-Westfalen / Sachsen-Anhalt
„Haller Herz“ – in der kleinen Stadt in Westfalen trägt der historische Stadtkern diesen poetischen Namen, der wie ein Herz um die Kirche liegt. Im großen Halle an der Saale könnte man den Titel auch jenem Mann verleihen, den auf dem Marktplatz viele mögen, weil er gern zuhört und sich kümmert: Wilhelm Jürgen Busse in der bayrischen Tracht.
Ab und zu werden die Städte verwechselt – denn beide haben ein besonderes Kunstmuseum, sagt Ursula Blaschke, die in Halle (West) ein Privatmuseum für Jugendwerke bedeutender Künstler führt, unterstützt durch den Künstler Adolf Eickhorst. Die berühmte Moritzburg in Halle (Ost) besuchten sie kurz nach dem Mauerfall. Anfänglich stießen sie auf Misstrauen, „man hatte schlechte Erfahrungen mit Besuch aus dem Westen gemacht“. Über die Kunst wurde daraus eine Freundschaft.
Frankfurt
Hessen / Brandenburg
Für beide Städte gilt: Von der Brücke aus kann man sie am besten verstehen. Wo in der Main-Metropole die Bankentürme in den Himmel ragen, fällt der Blick an der Oder weit übers Odertal und auf die polnische Nachbarstadt Slubice. Zwischen den Städten liegen rund 600 Kilometer und zwei Welten. Aber das hat weniger mit der DDR zu tun, sagen die beiden Oberbürgermeister. Sie verbindet vieles: Beide sind alte Handelsstädte - und stehen heute für gelebte Freiheit und Demokratie.
Peter Feldmann (SPD), seit 2012 Oberbürgermeister von Frankfurt am Main, verweist auf die Paulskirche seiner Stadt, in der 1848 die erste Volksvertretung Deutschlands tagte. Frankfurt an der Oder steht als Doppelstadt mit der Europa-Universität Viadrina heute auch für das gute Zusammenleben über Grenzen hinaus. Erstaunlich: Beide Oberbürgermeister haben das jeweils andere Frankfurt noch nie besucht.
Eisenach
Rheinland-Pfalz / Thüringen
Hinter Eisenach in Thüringen war zu DDR-Zeiten die Welt zu Ende - an der Grenze. Heute trifft sich die ganze Welt auf der Wartburg. Das Dorf Eisenach in der Eifel erinnert dagegen ein bisschen ans „Zonenrandgebiet“ vor 1990 - doch es liegt bei Luxemburg. Alfred Schmitz ist hier aufgewachsen. Mit dem Kalten Krieg. Und mit dem Überschall-Knall der Militärflugzeuge, „anfangs wohnten bei uns auch noch amerikanische Soldaten.“ Die Eifel ist bis heute Militärstandort.
Im berühmten Eisenach in Thüringen übersetzte Luther das Neue Testament, Goethe war hier. Heute gehört auch die deutsche Teilung zur Geschichte. Jan und Johanna Koch aus Hamburg besuchen Verwandte. „Meine Eltern sind hier aufgewachsen“, sagt Johanna Koch. Sie hatten in der DDR einen den Ausreiseantrag gestellt, dann wurde ihr älterer Bruder geboren. „Sie zogen nach dem Mauerfall nach Bremen.“ Gibt es noch Unterschiede zwischen West und Ost? Ja, sagt sie: „Im Westen spüre ich bei manchen noch Vorbehalte. Das finde ich schade.“
Bremen
Bremen / Thüringen
Dass in der Hansestadt Bremen ein Stück der Berliner Mauer steht, wissen nicht viele. Noch weniger kennen hier das winzige gleichnamige Dorf, das genau dort lag, wo der Kalte Krieg am „heißesten“ war – im Sperrgebiet der DDR in der Rhön. In der Hansestadt gehört das Mauerteil am Bahnhof heute zum Alltag, ebenso wie die deutsche Einheit, nach der der Bahnhofsvorplatz benannt ist. Ute Vondracek kommt hier oft vorbei, sagt sie. Der Ort steht für sie für die Freiheit und für Berlin.
Ein Mauerteil steht auch bei Bremen in Thüringen - am einstigen US-Beobachtungsstützpunkt Point Alpha, heute Gedenkstätte. Mauerteile und Wachtürme sind erhalten. Eine Ausstellung erzählt, wie sich damals die Grenztruppen direkt gegenüber standen. Und wie die Anwohner mit Gefahr, Überwachung und Flucht lebten. Silvia Heidinger (47) aus Bayern ist mit ihrem Freund aus der Schweiz da, sie machen Urlaub. Nach dem Besuch der Ausstellung sind sie nachdenklich. „Was damals geschah, erscheint einem heute völlig irrational“, meint sie.
Bernau
Bayern / Brandenburg
Der Luftkurort Bernau am Chiemsee wird auf der ersten Silbe betont, die kleine Stadt Bernau bei Berlin auf der zweiten. Eins haben die Orte gemeinsam: Eine hoffnungsfrohe Jugend. Lena (28) und Vinzenz Krauß (27) haben gerade geheiratet, fürs Hochzeitsfoto sind sie ans Seeufer gekommen. Gefeiert wird dann im Stadl zu bayrischer Musik. Ein bisschen Tradition, aber auch modern. Im Chiemgau sind die Traditionen noch stark – dazu gehören auch die christlichen Feiertage, von denen die beiden sagen: Sie seien hier bedeutsamer als der Tag der Deutschen Einheit. Aktuelles Thema sind die hohen Lebenshaltungskosten in Bayern. Ein Haus zu kaufen sei illusorisch.
Das ist in Bernau bei Berlin anders - in der Kleinstadt wird viel gebaut. Viele ehemalige Berliner pendeln von hier. Auch Paul Pienkny (21) zieht gerade aus Berlin her – wegen Julia, aber auch wegen der Ruhe in dem historischen Städtchen. Studieren wird er weiterhin in Berlin. „Mit der Bahn ist das kein Problem.“
Heidelberg
Baden-Württemberg / Brandenburg
So beliebt die Universitätsstadt Heidelberg mit ihrem Schloss ist, so abseits liegt das Mini-Dorf gleichen Namens in der Prignitz. Wenn Megi Hasani (23) aus Kiel nach Mannheim kommt, um ihren Mann Enso Pavaci (23) zu besuchen, fahren sie oft zusammen ins berühmte Heidelberg. Vor drei Jahren sind sie aus Albanien hergezogen, er wird Mechatroniker, sie studiert Biologische Ozeanografie. Sie träumen davon, in Deutschland zu bleiben. Warum nicht? Etwa ein Fünftel der Heidelberger hat einen ausländischen Pass. Und rund 40 Prozent der Arbeitnehmer sind Akademiker.
In Heidelberg in der Prignitz führt die „Straße der Einheit“ wie zu DDR-Zeiten als Betonplattenweg durchs Dorf. Jäger Hubertus Krehl hat fast sein ganzes Leben hier verbracht. Was hat sich seit 1990 verändert? Es gibt ein neues Ortsschild. Und der Wolf ist neu. Er hat die letzten Mufflons gerissen. Krehl hat die Köpfe konserviert, mit Bedauern. Er leitet im Landesjagdverband die Trophäenkommission.