Mindestens zwölf Menschen starben, als am Montagabend ein Attentäter mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz raste – im Herzen der Berliner City West. Ermittler und Politik gehen von einem terroristischen Hintergrund aus. Noch am späten Dienstagnachmittag war unklar, ob der Anschlag einen islamistischen Hintergrund hat. Am Dienstagabend bekannte sich dann der sogenannte Islamische Staat (IS) dazu - allerdings ohne Täterwissen preiszugeben.
Was rund um den Anschlag geschah
Ein unmittelbar im Anschluss an die Bluttat festgenommener junger Mann war offenbar nicht der gesuchte Terrorist. Er kam bereits am Dienstagabend wieder auf freien Fuß. Seit Mittwoch suchte die Polizei in ganz Europa nach einem neuen Verdächtigen: Der Tunesier Anis Amri wurde am frühen Mittwochabend zur öffentlichen Fahndung ausgeschrieben. Am Freitagmorgen wird er bei einem Schusswechsel mit der Polizei in Mailand getötet. Eine Rekonstruktion der Ereignisse.
Die Ereignisse in Berlin
- 1 Nachmittag Montag, 19.12.2016 Polnischer Sattelschlepper wird in Berlin-Moabit geparkt
- 2 20.02 Uhr Montag, 19.12.2016 Der Laster rast in den Weihnachtsmarkt
- 3 20.56 Uhr Montag, 19.01.2016 Erster Verdächtiger wird an der Siegessäule festgenommen
- 4 3 bis 8 Uhr Dienstag, 20.12.2016 Polizei durchsucht Notunterkunft in Tempelhof
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Nachmittag19. Dezember 2016Polnischer Sattelschlepper parkt in Moabit
Der polnische Lkw-Fahrer Lukasz U. parkt seinen Sattelschlepper vom Typ „Scania“ in Berlin – vor dem Gelände der Thyssen-Krupp-Niederlassung am Friedrich-Krause-Ufer in Moabit. Das Fahrzeug soll laut Spedition aus Italien gekommen sein und hat Stahlkonstruktionen als Fracht, die hier am Dienstag abgeladen werden sollten.
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15.45 Uhr19. Dezember 2016Laster wird auf Parkplatz gestartet
GPS-Daten hätten gezeigt, dass jemand am Montagnachmittag bewegt habe, sagt der polnische polnische Speditionsbesitzer Ariel Zurawski nach dem Anschlag. „Es sah aus, als wenn jemand geübt hätte, den Wagen zu fahren."
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19.34 Uhr19. Dezember 2016Lkw fährt los
Nachdem mehrmals versucht wurde, den Laster zu starten, setzt sich das Fahrzeug um 19.36 Uhr auf dem Parkplatz in Bewegung - und verlässt etwa zehn Minuten später das Gelände. Dies hätte die Auswertung der GPS-Daten ergeben, sagt ein leitender Speditionsmitarbeiter dem polnischen Internetportal money.pl am Tag nach dem Anschlag.
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20.02 Uhr19. Dezember 2016Laster rast in Weihnachtsmarkt
Die erste Meldung über den Anschlag geht bei der Polizei ein: Der Lastwagen ist auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gerast - am Breitscheidplatz, im Herzen der City West. Neun Menschen sterben noch am Ort, drei weitere später infolge ihrer schweren Verletzungen im Krankenhaus. Unter den insgesamt zwölf Toten ist auch der eigentliche Fahrer des Lkw aus Polen: Der polnische Fahrer Lukasz U. wird leblos auf dem Beifahrersitz entdeckt - mit Schusswunden.
Der Ablauf des Anschlags am Berliner Breitscheidplatz
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20.56 Uhr19. Dezember 2016Erster Verdächtiger wird festgenommen
Die Berliner Polizei nimmt an der Siegessäule einen Verdächtigen fest. Ein Zeuge sei dem vom Breitscheidplatz flüchtenden Mann und habe dabei ständig über Handy die Notrufzentrale über die Position des Mannes informiert, teilt die Polizei mit. Der Festgenommene ist laut Ausweisdokumenten 23 Jahre alt und stammt aus Pakistan. Er beteuert seine Unschuld. Später soll klar werden, dass er der Falsche ist.
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3 bis 8 Uhr20. Dezember 2016Polizeieinsatz in Notunterkunft
Die Polizei durchsucht Berlins größte Flüchtlingsunterkunft am früheren Flughafen Tempelhof. Vier junge Männer werden befragt, es gibt aber keine Festnahmen. An dem Einsatz mit 250 Polizisten ist auch eine Spezialeinheit (SEK) beteiligt. Um 8 Uhr wird der Einsatz beendet. Der an der Siegessäule Festgenommene soll dort untergebracht gewesen sein. Doch einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag und der Norunterkunft gibt es offenbar nicht, wie sich später herausstellt.
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9.30 Uhr20. Dezember 2016Lastwagen wird abgeschleppt
Die Zugmaschine des Lastwagens, deren Windschutzscheibe zersplittert ist, wird abgeschleppt und soll weiter untersucht werden. Im Führerhaus des Lastwagens wurde blutverschmierte Kleidung gefunden. Bei dem später in einiger Entfernung vom Tatort Festgenommenen sei keine mit Blut befleckte Kleidung gefunden worden.
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13.07 Uhr20. Dezember 2016Erste Zweifel an Festgenommenen
„Die Welt“ twittert: „BREAKING: Berliner Polizei – “Wir haben den falschen Mann““ Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt bestätigt zwar nicht, das der Falsche festgenommen wurde, räumt aber ein: „Es ist in der Tat unsicher, dass es der Fahrer war.“ Als Islamist ist der Festgenommene den deutschen Sicherheitsbehörden bislang nicht aufgefallen. Kandt fügt hinzu, es sei möglich, dass ein gefährlicher Straftäter noch im Raum Berlin sei.
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14.40 Uhr20. Dezember 2016Generalbundesanwalt spricht von Terror
Generalbundesanwalt Peter Frank sagt, er gehe von einem terroristischen Hintergrund der Tat aus. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat in seinem Auftrag die Ermittlungen übernommen. Offen war zunächst das Motiv für die Todesfahrt - es war auch unklar, ob der Anschlag einen islamistischen Hintergrund hat. „Wir haben noch kein Bekennervideo“, betonte Frank. Ebenfalls war unklar, ob ein Täter noch auf der Flucht war, ob es eine größere Tätergruppe gibt oder ob der Täter von außen angeleitet wurde.
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18.51 Uhr20. Dezember 2016Festgenommener kommt auf freien FußNach dem Lastwagen-Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz kommt der zunächst festgenommene Verdächtige wieder frei. Es sei kein Haftbefehl erlassen worden, teilt die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit.
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gegen 20 Uhr20. Dezember 2016Islamischer Staat (IS) bekennt sichDie Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nimmt den Angriff auf den Weihnachtsmarkt in Berlin für sich in Anspruch. Das IS-Sprachrohr Amak meldet am Abend im Internet, ein IS-Kämpfer sei für den Angriff verantwortlich gewesen.
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gegen 11 Uhr21. Dezember 2016Suche nach neuem VerdächtigemDie Polizei sucht nach der Todesfahrt vom Breitscheidplatz einen neuen Tatverdächtigen. Nach Informationen der Berliner Morgenpost handelt es sich um einen 24 Jahre alten Tunesier, der im vergangenen Jahr als Asylbewerber nach Deutschland gekommen sein soll und den Aufenthaltsstatus einer Duldung hat. Der Polizei war der Mann angeblich als einer von in Berlin rund 140 sogenannten Gefährdern bekannt. Die Polizei soll dem Mann auf die Spur gekommen sein, weil sie am Tatort nach erneuter intensiver Suche ein amtliches Dokument des Tatverdächtigen gefunden hat.
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gegen 17.30 Uhr21. Dezember 2016Bundesanwaltschaft bittet Öffentlichkeit um MithilfeDas Bundeskriminalamt sucht nun öffentlich nach dem neuen Verdächtigen. Im Auftrag des Generalbundesanwalts wurde der 24-jährige Tunesier Anis Amri zur öffentlichen Fahndung ausgeschrieben, teilt die Karlsruher Behörde mit. Für Hinweise werden bis zu 100.000 Euro Belohnung ausgesetzt. Der Verdächtige ist den Behörden bekannt, wird bestätigt. Gegen ihn wurde wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat ermittelt. Und er sollte abgeschoben werden. Nun wird er in ganz Europa nach ihm gesucht.
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gegen 4 Uhr23. Dezember 2016Mutmaßlicher Attentäter in Mailand erschossenDer europaweit gesuchte Tunesier Anis Amri wird in Mailand erschossen. Er sei bei einem Schusswechsel mit der Polizei getötet worden, sagte Italiens Innenminister Marco Minniti. Der 24-Jährige habe bei einer Routinekontrolle nahe des Bahnhofs Sesto San Giovanni „ohne zu zögern“ eine Waffe gezogen und geschossen. Die Polizei erwiderte das Feuer. Ein an der Schulter getroffener Polizist schwebe nicht in Lebensgefahr, sagte Minniti. Die Fingerabdrücke Amris seien eindeutig identifiziert. Der mutmaßliche Berliner Attentäter kam nach Polizeiangaben über Frankreich mit dem Zug nach Italien. Nach seinem Tod gehen die Ermittlungen zum Anschlag in Berlin unvermindert weiter. So müsse zum Beispiel geklärt werden, ob er Komplizen hatte, sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel.