Die Wähler*innen entscheiden mit Ihrer Stimme nicht direkt, sondern lediglich welche „Wahlleute“ ihres Bundesstaates im sogenannten „Electoral College“ sitzen. Und erst dieses Gremium wählt Mitte Dezember den neuen US-Präsidenten. Es gewinnt also, wer dort die meisten „Wahlleute“ hat. Und das geht so:
Der Wahlsieg führt über die Bundesstaaten
Stell dir drei etwa gleich große US-Bundesstaaten vor, in denen genauso viele Wähler*innen abstimmen - mit unterschiedlichen politischen Präferenzen:
1. Bundesstaat
Im ersten Staat hat das Lager von Joe Biden eine überwältigende Mehrheit der Stimmen.


2. Bundesstaat
Im zweiten Bundesstaat kommt es zu einem engen Rennen - leicht zugunsten von Donald Trump.


3. Bundesstaat
Auch im dritten Bundesstaat gewinnt Trump knapp.


Doch insgesamt haben die Demokraten mit Biden eine klare Mehrheit der Wähler*innen hinter sich - mit 59,3 Prozent (16 von 27 Stimmen).
Entscheidend sind aber letztendlich die Stimmen der „Wahlleute“. Und nun kommt es zu einem entscheidenen Schritt pro Bundesstaat:
Egal, wie knapp das Ergebnis ist, die Siegerpartei schickt alle ihre Wahlleute dieses Staates ins „Electoral College”, die anderen gehen leer aus. Und Trump hat in unserem Beispiel plötzlich eine Zweidrittel-Mehrheit.
Dieses Prinzip nennt man deshalb auch „Winner take all” („Der Gewinner bekommt alles”). Es gilt fast überall in den USA - außer in Nebraska und Maine.
Nicht alle Stimmen wiegen gleich viel
Das „Winner take all“-Prinzip verschärft so auch die Konzentration des Wahlkampfs auf wenige Swing States, wo traditionell ein knappes Rennen zwischen Republikanern und Demokraten erwartet wird. Denn zum Schluss zählen eben nur die Stimmen im „Electorial College“: Insgesamt 538 Mitglieder wählen am 14. Dezember den Präsidenten.
Wie viele dieser „Wahlleute“ einem Bundesstaat zustehen, orientiert sich an seiner Bevölkerungszahl - zwischen 55 (Kalifornien) und mindestens drei. Durch diese Mindestanzahl kommt es zu einer weiteren Verzerrung: Einige kleine Bundesstaaten sind schlicht überrepräsentiert. Bei „Wahlleuten“ pro Million Einwohner*innen zeigt sich dieses ungleiche Bild:
Das „Wahlleute“-System stammt noch aus den Gründerjahren der USA Ende des 18. Jahrhunderts und hat seither fünfmal dazu geführt, dass Kandidaten trotz weniger Stimmen die Wahl für sich entschieden. Auch Donald Trump verdankt seinen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen 2016 diesem alten Wahlsystem.
Wie die Wahl 2016 ohne "Winner take all"-Prinzip ausgegangen wäre

Trump

Clinton
Das durchgehende „Winner take all“-Prinzip und das „Electoral College“ aus ungleich verteilten „Wahlleuten“ führen dazu, dass einzelne Wähler*innen-Stimmen nicht gleich viel wiegen. Doch sie verzerren das Wahlergebnis nicht allein. So ist Wählen in den USA vor allem ein sehr aktiver Prozess.
Wahlberechtigte müssen sich in einem Verzeichnis eintragen lassen und häufig mehrere Stunden an den zu wenigen Wahllokalen anstehen, um ihre Stimme abgeben zu können. Immer wieder wird bei der Registrierung die Behinderung von bestimmten Bevölkerungsgruppen am Ausüben ihres Wahlrechts kritisiert, wie auch ein Bericht der OSZE-Wahlbeobachterorganisation ODIHR nahelegte.
Neuer Präsident muss im Januar feststehen
Diesmal wird Zank um die Briefwahlstimmen befürchtet, zumindest befeuert dies Trump. Doch egal wie über die Auszählung gestritten wird, der Fahrplan ist klar: Am 6. Januar wird im US-Kongress offiziell bekanntgegeben, wer der nächste Präsident sein wird - und der leistet dann am 20. Januar bei einer festlichen Zeremonie vor dem Kapitol in Washington ab 18 Uhr MEZ seinen Amtseid.
In der ursprünglichen Fassung haben wir Gerrymandering - das bewusste Einteilen von Wahlkreisen zugunsten einer bestimmten Partei - thematisiert. Dies spielt bei der Präsidentschaftswahl aber keine Rolle.